… Buchholz ist erstens ein natürliches Ziel. Hier endet der Müritzarm nach malerischen Verrenkungen durch Wiesen, nach Durchschlüpfen mit einsamen Buchten und schilfigen Ufern, an denen strohgedeckte Datschen die Wende verschlafen haben. Buchholz ist aber auch, zweitens, ein lohnendes Ziel:
Zum einen hängt hier sommers der Himmel noch voller Schwalben, wie man das im Westen kaum mehr findet. Zum anderen gibt es eine Dorfstraße – breit, verträumt und autoleer. Dorf-Alleebäume, wie sie in den Altbundesländern vor Jahrzehnten entsorgt wurden, werfen Schatten. Intensiv süßer Lindenblütenduft kitzelt die Nase. Aber all das ist nur schmückendes Beiwerk für einen Ort ultimativer Verzauberung: Im Gasthaus Zu den drei Linden badet die Seele eines knapp nach dem Krieg Geborenen in Kindheitserinnerungen. Ja, so war das damals bei uns im Norden: Backstein, Fensterkreuze, an denen in der Sommerhitze weiße Farbe schuppt, Emaille-Reklameschilder, blank gewetztes Tischholz, plattdeutsche Urlaute vom Stammtisch. Tür an Tür zum Schankraum ein Miniladen, der komplett ins Museum der fünfziger Jahre gestzt werden könnte, wenn man nur die stilbrüchige Kühltruhe wegließe. Dann ein Zander, der einem zweifeln lässt, ob man jemals vorher schon Fisch gegessen hat oder ob das nicht alles schlechte, teure Fälschungen waren. Irgendwann an diesem Abend, nach der dritten oder vierten Flasche Lübzer, muss ich meinem Mitfahrer Mario von meinen Vorfahren erzählt haben, die im 18. Jahrhundert auf tosender Ostsee Holz von Malmö nach Stettin verschifften. Und Mario sagte, so wenigstens glaube ich mich zu erinnern: „Okay, Käptn. morgen darfst du die ganze Strecke bis Mirow steuern.“…
CLAUS-PETER LIECKFELD BESCHREIBT SO IN SEINEN ZEIT.ONLINE DIE EINDRÜCKE, DIE BUCHHOLZ BEI IHM HINTERLIESS